Eine besondere Vorbereitung
Der erste Tag ist schrecklich. Kapos [Häftlings-Vorarbeiter] und SS treiben uns mit höllischer Geschwindigkeit an, Schreie schallen durch die Reihen, drohen mit der Erschießung; es sind Dämonen! Der Lärm bohrt sich in den Kopf hinein und legt die Nerven blank.
Der wahnsinnige Rhythmus dauert fünfzehn Stunden an. Ankunft in den Schlafstollen ... wir versuchen nicht einmal, die Bettgestelle zu erreichen. Vollkommen erschöpft sinken wir auf die Felsen, auf den Boden nieder. Von hinten stoßen uns die Kapos weiter. Die Hinteren stolpern über die Körper ihrer Kameraden weiter. Bald liegen tausend verzweifelte Männer da, am Rand ihrer Kräfte angelangt und von Durst geplagt, und warten auf einen Schlaf, der nie kommt, schließlich sind das Schreien der Wachen, der Lärm der Maschinen, die Explosionen und das Läuten der Glocke [der Lokomotive] auch hier noch zu hören."
(Jean Michel über seinen ersten Arbeitstag als Häftling in Dora am 14. Oktober 1943; mit freundlicher Genehmigung von www.dora.de)
Vor jedem Gottesdienst für Entschlafene denken wir besonders an solche Menschen, die zu ihren Lebzeiten nichts von Gott gewusst haben, vielleicht auch nichts wissen wollten. Wir beten für diese Seelen, damit auch sie den Weg zu Gott finden können. Aber wer sind diese?
Am 1. November 2003 wurden Jugendliche des Bezirks Nordhausen mit ihren Betreuern sowie Apostel Korbien in eine der dunkelsten Zeiten der Geschichte Deutschlands und der Stadt Nordhausen geführt.
Nachdem die Heeresanstalt Peenemünde von britischen Bombern angegriffen worden war, verlegte man die Produktion der unter der Bezeichnung "V2" propagierten Wunderwaffe unter Tage. Dazu wurde ein Tunnelsystem im Berg Kohnstein, nahe Nordhausen, das eigentlich als Treibstofflager dienen sollte, umgebaut. KZ-Häftlinge wurden aus dem KZ Buchenwald ins Lager "Dora" geholt, um beim Ausbau des Stollens zu helfen. Da das eigentliche Lager noch nicht fertiggestellt war, mussten anfangs die Gefangenen in vier Querstollen auf vierstöckigen Holzpritschen schlafen. Sie waren der Willkür ihrer Unterdrücker ausgesetzt, die über Leben oder Tod entscheiden konnten.
Nachdem wir die Außenanlage und das Museum besichtigt hatten, gingen wir auch in den Stollen, in jenen Teil, wo die Grausamkeiten am größten waren. Arbeit und Angst bestimmten den Tagesablauf der Häftlinge, so berichtete man uns. Das durchschnittliche Lebensalter der Inhaftierten lag bei 21 Jahren, die Lebenserwartung im Lager betrug nicht länger als 6 Wochen.
Der Himmel war den ganzen Tag über mit einem grauen Schleier verhangen. Als wir den Stollen verließen, brach die Sonne mit ihren wärmenden Strahlen durch die Wolken. Diese Bild sagte uns mehr, als wir mit Worten beschreiben könnten!
Im Anschluss an die Führung fuhren wir in unsere Kirche nach Nordhausen, wo unser Apostel mit uns allen für die betete, die die Hilfe Gottes suchen, auch für solche, deren wir an diesem Tag ganz besonders gedachten.
Für das leibliche Wohl wurde natürlich in der Kirche auch gesorgt. Im Nebenraum gab es Bockwürstchen, Fettbrot und warme Getränke. Es kam zu manch interessanten Gesprächen über das an diesem Tag Erlebte.
Von 1943 bis 1945 wurden im KZ "Mittelbau-Dora" 60.000 Menschen gequält. Von ihren Peinigern geschlagen und gefoltert, erlitten sie Hunger, Durst und Kälte. Jeder Dritte starb.
Nach dem Besuch des Lagers "Dora" bei Nordhausen gewann für uns daszum Entschlafenengottesdienst verwendete Textwort aus dem 107. Psalm eine ganz besondere und tiefe Bedeutung:
"Er errettete sie aus ihren Ängsten und führte sie den richtigen Weg, dass sie kamen zur Stadt, in der sie wohnen konnten."
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